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AutorenbildEberhard Spree

Einige Ergänzungen zum Spielfilm „Bach – Ein Weihnachtswunder“. Teil I: Gottfried Heinrich Bach

Am 18. Dezember 2024 wurde durch die ARD der Spielfilm „Bach – Ein Weihnachtswunder“ ausgestrahlt. Seit dem 13. Dezember konnte er bereits in der Mediathek dieses Senders angeschaut werden, was dort auch noch bis zum 18. März 2025 möglich ist. Verantwortliche für diesen Film betonen ausdrücklich, dass es sich um eine fiktive Darstellung handelt und kein Anspruch auf unbedingte historische Korrektheit erhoben wird. Es ist eine Geschichte über die Entstehung des Weihnachtsoratoriums und die besonderen Situationen, die sich daraus für die Familie Bach entwickeln. Die Figur der Anna Magdalena Bach spielt dabei eine große Rolle und schon aus diesem Grund habe ich mir den Film angesehen. Viele Stellen darin fand ich anrührend oder auch interessant. Es ist eine schöne Familienunterhaltung. Kurz darauf warf ich mal wieder einen Blick auf die Besucherzahlen meines Blogs über Anna Magdalena Bach und stellte fest, dass sich diese sehr gesteigert hatten. Auf der Wikipedia-Seite für Anna Magdalena Bach war dieser Trend noch ausgeprägter. Die Besucherzahl vom 18.12. war dort mehr als zweihundert Mal höher als die vom 12.12. Dass dieser Film eine solches Interesse an ihrer Person auslöste, hatte ich nicht erwartet. So entspreche ich wohl einem vielfachen Wunsch, wenn ich an dieser Stelle auf einige Hintergründe eingehe, die im Film nur bedingt oder gar nicht berücksichtigt werden. Dabei erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich möchte vor allem Anregungen geben, sich noch intensiver mit der Familie Bach zu beschäftigen.

 

Sehr berührend fand ich die Figur von Gottfried Heinrich, dem ältesten Sohn von Anna Magdalena Bach. Sie war für mich wie ein seelischer Spiegel von zwischenmenschlichen Aktionen, was ich in dieser Form noch nicht in anderen Filmen erlebt habe.

Von Gottfried Heinrich Bach ist leider nur sehr wenig bekannt. Werke, die sich ihm eindeutig zuordnen lassen, haben sich nicht erhalten (auch nicht die Holzmännchen, wobei nicht bekannt ist, ob er jemals welche schnitzte).Geboren wurde er am 26. Februar 1724 in Leipzig. Sein Name erscheint in einer Genealogie mit dem Titel „Ursprung der musicalisch-Bachischen Familie“. Höchstwahrscheinlich wurde sie von Johann Sebastian Bach Ende 1735 angelegt. Dort ist über Gottfried Heinrich zu lesen: „Ist gebohren den 26ten Febr. An. 1724, inclinert gleichfalls zur Musik, inspecie zum Clavier.“ Von dieser Genealogie ist nur eine Abschrift erhalten. Der Eintrag zu Gottfried Heinrich wurde von seinem Halbbruder Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1789) in den 1770er Jahren mit den Worten ergänzt: „War ein großes Genie, welches aber nicht entwickelt ward“. (Dok I, Seiten 261 und 267) Als Johann Sebastian Bach 1750 starb, wurde Gottfried Heinrich „seines blöden Verstandes halber“ ein Vormund zur Seite gestellt. (Dok V, Seite 178)

Diese Fakten lassen viele Möglichkeiten zu, über die Beeinträchtigung von Gottfried Heinrich zu spekulieren. Wurde sie durch seinen Vater in der Genealogie nicht erwähnt, weil sie 1735 noch nicht vorhanden oder nicht erkennbar war? Lag ihre Ursache in einer Erkrankung oder einem Unfall? Handelte es sich vielleicht um eine Form von Autismus? Ohne weitere Informationen, wird eine eindeutige Antwort nicht möglich sein.

Aktenkundig ist, dass Gottfried Heinrich am 12. Februar 1763 in Naumburg beigesetzt wurde. In diese Stadt war Gottfried Heinrichs Schwester Elisabeth Juliana Friderica nach ihrer Hochzeit am 20. Januar 1749 gezogen. Ihr Ehemann Johann Christoph Altnikol war dort Organist an der Wenzelskirche. Das führte zur These, dass Gottfried Heinrich sofort nach dem Tod seines Vaters am 28. Juli 1750 in den Haushalt seiner Schwester kam. Ich habe nicht wahrgenommen, dass daran auch nur geringe Zweifel bestanden. Das kann ich mir nur dadurch erklären, dass Anna Magdalena Bach nicht zugetraut wurde, seine Versorgung zu übernehmen. Diese These wurde auch nicht erschüttert, als ein in Leipzig verfasstes Dokument gefunden wurde, aus dem hervorging, dass Elisabeth Juliana Friderica nach dem Tod ihres Mannes, der im Juli 1759 verstarb, wieder nach Leipzig zog. In einem Tutorienbuch ist mit dem Datum vom 5. Juli 1765 vermerkt, dass sie „seit 5. Jahren allhier wohnhafft“ war. (Szeskus 2003, Seite 83)

Im Mai 2015 entdeckte ich dann ein Dokument, dass durch eine Institution des Leipziger Rats verfasst wurde, in dem Gottfried Heinrich erwähnt ist. Aus ihm geht hervor, dass dieser 1753 eine regelmäßige Zuwendung durch die Stadt erhielt und nicht auswärtig, sondern „zu Hauße“ bei seiner Mutter lebte. (Siehe Abbildung und Spree 2019, Seiten 145 ff.)

Abbildung: Eintrag aus dem Jahr 1753 in einem Dokument der Stadt Leipzig

(Stadtarchiv Leipzig, Stift XII B 23: Stiftsrat Bornsches Legat, Seite 158b)

 

Dadurch ergab sich ein neues Bild. Die Familie wurde, nachdem Johann Sebastian Bach verstorben war, nicht auseinandergerissen, was häufig zu lesen ist. Von den Kindern Anna Magdalenas verließ nach dem Tod ihres Mannes nur Johann Christian die Stadt. Am 5. September 1750 war er 15 Jahre alt geworden und ging zur weiteren musikalischen Ausbildung zu seinem Halbbruder Carl Philipp Emanuel. Sie lebte mit ihren beiden jüngsten Töchtern, die beim Tod des Vaters 8 und 12 Jahre alt waren, und Gottfried Heinrich weiter in Leipzig (was im Nachspann des Films anders dargestellt wird). Offensichtlich war sie in der Lage, die Familie zu versorgen und den Kindern eine angemessene Betreuung zukommen zu lassen. Dass sie als Witwe sofort ein Leben in erbärmlichen finanziellen Umständen führte, konnte ich in meiner Dissertation widerlegen. (Spree 2019)

Am 27. Februar 1760 verstarb Anna Magdalena Bach. Was mit Gottfried Heinrich geschah, ist nicht bekannt, auch nicht, warum er in Naumburg beigesetzt wurde. Es wäre möglich, dass er dort während eines Besuchs verstarb. (Siehe Spree 2019, Seite 60)

 

Das alles greift der Zeit, an der sich der Film orientiert, allerdings weit voraus, ist als Hintergrundwissen aber vielleicht interessant. Eng mit der Rolle von Gottfried Heinrich verbunden fand ich die seiner Schwester Elisabeth Juliana Friderica, von der bekannt ist, dass sie von ihrem Vater „Ließgen“ genannt wurde. (Dok I, Seite 119) Auf sie möchte ich im nächsten Beitrag eingehen.



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